Archive : Februar

Die Schlosser kommen

Herbstbuchttauchen 2019
Die Fördeschlosser sind eine Gemeinschaft freier Wracktaucher. Diese sehr erfahrenen Taucher haben schon einige bemerkenswerte Aktionen auf die Beine gestellt. Aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten musste das traditionelle Herbstbuchttauchen 2019 ausfallen. Also habe ich die Gang kurzerhand zur Wrack-Doku an den Großensee eingeladen. Wie schrieb ein Mitglied im Forum so schön: „Es war Herbst, der Einstieg war buchtartig, wir sind getaucht und es gab sogar ein Wrack“. Also alles richtig gemacht.

Dokumentation im Team
Alle wollen das Wrack sehen. Bekommen sie auch. Für eine systematische Dokumentation ist dieser Event allerdings nicht geeignet. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Nebenuntersuchungen und teilen uns auf. Jedes Team bekommt eine Aufgabe: Robert und Thorben suchen das Areal mit dem Scooter nach Wrack 2 ab. Blacky, Zille und Andrea nehmen die Tiefenlinie und inspizieren das nähere Umfeld. Und Ingo und ich untersuchen die Hölzer auf dem Weg. Entgegen meiner ersten Vermutung scheint es sich jedoch eher um Reste eines alten Stegs zu handeln. Also nehmen wir das Wrack weiter unter die Lupe. Es scheint, als seien die Spanten aus zwei Teilen zusammengesetzt und in der Mitte mit flüssigem Eisen verbacken. Wir zählen insgesamt sieben. Am Heck entdecke ich ein spitz zulaufendes Holzstück, dass wie eine Abdeckung aussieht. Es hat eine mittige Bohrung. Vielleicht war hier einmal das Ruder angesetzt? Dieses Wrack wirft viele Fragen auf. Wir werden versuchen, sie zu beantworten.

Das Wrack in 3D
Beim nächsten Tauchgang ist Ruhe geboten. Robert macht rund 500 Aufnahmen aus allen Perspektiven. Zuhause errechnet er ein 3D-Modell. Fotogrammetrie ist inzwischen ein Standard in der archäologischen Dokumentation. Dass wir diese Technologie auch hier einsetzen können spricht für die große Kompetenz des Teams. Das 3D-Modell kann entweder als Video betrachtet oder eigenständig gesteuert werden.

Fotorealistische Zeichnung
Oleksiy zeichnet Wracks. Und zwar so gut, dass sich mittlerweile die Tauchmagazine um ihn reißen. Toll, solche Koryphäen im Team zu haben. Beim gemeinsamen Tauchgang prägt er sich die Details ein und verwandelt sie einmal mehr in eine wundervolle Bleistift-Zeichnung. Er möchte das Objekt so festhalten, wie es der Taucher unter Wasser wahrnimmt. Das ist ihm wieder einmal gelungen.

Dies war vermutlich das erste Fördeschlosser Herbstbuchttauchen bei dem kein einziges Boot im Einsatz war. Trotzdem hatten alle einen tollen Tag, den wir bei einem gemeinsamen Essen im Dorfkrug haben ausklingen lassen.

Wracksuche am Seegrund


Noch im April habe ich bei meinen Buddys geprahlt: Kompressor im Keller, Tauchboot in der Garage – das kann doch jeder. Ich hab jetzt nen eigenen Tauchsee. Dass ich wenig später eine Wrackexpedition direkt vor meiner Haustür vorbereiten würde, hätte ich mir aber in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können.

Positionsbestimmung
Die Forschungs-Kampagne Großensee kann beginnen. Von amtlicher Seite ist alles vorbereitet. Auch ein Team archäologisch erfahrener Taucher ist dank eines guten Netzwerks schnell zusammengestellt. Doch zunächst einmal müssen wir das Wrack überhaupt finden. Im Forschungsbericht der SDA ist auf einer Karte eine Position markiert. Die mögliche Lage kann per Abgleich mit Google Earth schnell rekonstruiert werden. Wir wissen außerdem, dass das Wrack diagonal zum Westufer in etwa vier bis sieben Metern Tiefe liegen soll. Ich begehe das Areal zu Fuß. Der See ist durch Privatgrundstücke und Uferschutz hier nicht begehbar. In einiger Entfernung führt jedoch eine Feuerwehr-Zufahrt ans Wasser. Nach meinen Berechnungen muss das Wrack etwa 150 Meter* entfernt liegen.

Fund Wrack 1
Im September 2019 verabrede ich mich mit meinem Buddy Thorben. Mit ihm habe ich den ersten Großensee-Tauchgang gemacht und möchte dieses Experiment mit ihm teilen. Wir funktionieren ein Reel zur Buddyline um und tauchen ab. Einer auf der 7m- einer auf der 3,5m-Linie. Der Grund ist hier sehr trist. Sand, ab und zu ein Stein, ein paar alte Holzpfähle. Die Sicht beträgt höchstens zwei Meter. Doch nach etwa 20 Minuten ist es da: Vor uns erhebt sich eine mächtige Bordwand über den Grund. Wir haben das Wrack gefunden! Das Ufer fällt hier steil ab, der Kahn liegt mitten im Hang. Den tiefsten Punkt messen wir auf 7,50 Metern. Zu unserer Überraschung ist das Wrack recht gut erhalten. Wir sehen Bordwände, Spantengänge und einen sehr massiven Hecksteven. Am Bug ist das Boot deutlich fragiler. Eine Bordwand ist durchlöchert, die andere vollständig abgefallen. Dafür überragt der Bugsteven majestätisch die Szene. Wir sind überwältigt. Bei diesem Detailreichtum werden wir einiges zu tun haben. Nach einigen Fotos geht es auf den langen Rückweg. Wir können die Distanzen noch überhaupt nicht einschätzen. Auf der 5m-Linie fallen mir mehrere bearbeitete Hölzer auf. Könnten das Reste des angeblich verfallenen zweiten Wracks sein? Ich präge mir die Lage für einen der nächsten Tauchgänge ein.

*Positionsangaben sind bewusst verfälscht!

Wrackfund im Internet

Umzug und neue Aufgaben
Anfang 2019 ziehe ich an den Großensee im Schleswig-Holsteinischen Kreis Stormarn. Noch sind die Abende etwas eintönig. Ich brauche eine Weile, um im Landleben anzukommen. An den Wochenenden unternehme ich erste Tauchgänge mit Freunden. Wenn man schon einen See vor der Tür hat. Wahnsinnig aufregend scheint das Gewässer jedoch nicht zu sein. Doch dann stoße ich beim Googeln auf einen Forschungsbericht: Im See liegt ein über 100 Jahre altes Wrack!

Rückblick 2012
Sofort beginne ich, die verfügbaren Informationen auszuwerten. Die Scientific Diving Association (SDA) schildert in ihrem Bericht Archäologische Untersuchung im Großensee ihre Kampagne aus 2012. Demnach haben Mitglieder der Tauchsportgruppe Ahrensburg dem ALSH im Oktober 2011 einen Wrackfund gemeldet. Das Amt beauftragt die Kieler Forschungstaucher mit der detaillierten Dokumentation und Entnahme einer Holzprobe zur dendrochronologischen Analyse. Der fast zehn Meter lange Kahn wird eingehend untersucht. Auch ein zweites Wrack wird erwähnt, scheint aber nicht weiter betrachtet worden zu sein. Die Holzprobe datiert im Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Berlin auf 1901. Die SDA schließt mit dem Fazit: „Aus unserer Sicht handelt es sich bei dem Boot um einen Nachen, welche vor 100-150 Jahren gängige Wasserfahrzeuge auf den Binnenseen waren.“

Anträge stellen
Ich bin seit Jahren ehrenamtlich in der Unterwasserarchäologie aktiv – und natürlich sofort Feuer und Flamme. Gemeinsam mit dem VDST-Landesverband Schleswig-Holstein arbeite ich seit einiger Zeit an einem Citizen-Science-Konzept mit dem Archäologischen Landesamt in Schleswig. Eine gute Gelegenheit, das Prozedere einmal durchzuspielen. Im Mai 2019 stelle ich offiziell einen Monitoringantrag. Die Genehmigung wird bis zum 31.12.2019 erteilt. Für die Genehmigungen vor Ort sind der Bürgermeister und der Seewart zuständig. Zu beiden nehme ich frühzeitig Kontakt auf, um die Gemeinde in das Vorhaben zu involvieren. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass die Untersuchungen durch die Corona-Pandemie deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen werden. Der Antrag wird zweimal bis einschließlich 2021 verlängert.