Archive : Schleswig-Holstein

Grot un Lütt

Seeredder
Wie geht es weiter mit den Wracks im Großensee?
Nachdem die Dokumentationen der beiden Fischerkähne abgeschlossen ist, haben wir uns die Funde am Ostufer vorgenommen. Laut der historischen Bestandsliste sollen zum Fischereibetrieb noch ein Prahm und eine Jolle gehört haben. Es ist nicht auszuschließen, dass wir beide Boote gefunden haben. Laut der Chronik sollen sie zum Übersetzen an Land – der Fischer wohnte bis ins 19. Jhd. auf der Insel –  an einen „Seeredder“ gedient haben. Anfragen bei verschiedenen Ämtern haben keine Ergebnisse geliefert. Eine Straße dieses Namens scheint es in Großensee nie gegeben zu haben. Aber was ist ein Redder eigentlich? Laut Wikipedia bezeichnet Redder einen Weg, der beidseitig von einer Hecke oder einem Knick begrenzt wird. Der Begriff ist vor allem für die Region Schleswig-Holsteins typisch. Diese Beschreibung passt zu dem Weg, in den die Straße „Am Soll“ mündet. Wer mit an der Insel tauchen war, weiß welchen ich meine. Diesen könnte man tatsächlich als Redder bezeichnen. Und: Er verbindet den See mit dem Dorfkern! Dieses Rätsel scheint also gelöst.

Aber wie kommen Wrack 3 und 4 dann ans Ostufer? Der Fischer ist nach Aufgabe des Insel-Domizils nachweislich an den Pfefferberg gezogen. Auf eben jenes Grundstück von dem aus wir die Arbeiten durchgeführt haben. Ob die Wracks überhaupt zum Befund gehören kann jetzt nur eine Dendro-Untersuchung klären. Ein entsprechender Antrag ist beim Archäologischen Landesamt eingegangen.

Lüttensee
Zur Pachtmasse der Fischerei hat seit jeher auch der benachbarte Lütjensee gehört. Um diesen zu befischen gab es einen weiteren, dritten Kahn. Liegt dieser vielleicht immer noch dort? Um eine Suche zu starten, muss der Standort ermittelt werden. Eines der Fischrestaurants ist naheliegend. Der „Seehof“ ist erst 1946 gegründet worden – 11 Jahre nach Aufgabe der Fischerei. Er kommt also nicht in Frage. Bleibt die „Fischerklause“. Hier sind sämtliche Anfragen zu historischen Quellen bislang unbeantwortet geblieben.


Nicht verzagen, Bürgermeister fragen. In einem kleinen Dorf ist das ja nicht so schwer. Und so hat mir Frau Ulrike Stentzler nicht nur zugesagt, einen Kontakt zur Eigentümer-Familie herzustellen, sondern mir freundlicherweise auch eines der letzten Exemplare der nicht mehr erhältlichen Lütjensee-Chronik zur Forschung übergeben. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank!

Stormarn-Museum
Viele Monate war das Dorfmuseum Stormarn wegen Corona geschlossen. Bei einem Besuch im November dann die Bestätigung: Die Fundstücke der 2012er-Kampagne befinden sich tatsächlich in Hoisdorf. Im Raum der Alfred-Rust-Sammlung schmückt auch der Großensee eine Vitrine. Der Leiter des Museums ist sehr interessiert an unseren Arbeiten und möchte sie in seine Ausstellung integrieren. Der erste Schritt zur Unsterblichkeit? 😉 Ein Konzept zur Integration unserer tollen Fotos, Filme und Zeichnungen wird gerade entwickelt.

Das Stormarnsche Dorfmuseum ist für alle Heimatkunde Interessierten auf jeden Fall einen Besuch wert – es hat Dienstag von 09 – 12 Uhr und Samstag von 14 – 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenlos.

Sprenger Weg 1
22955 Hoisdorf

Allem Anschein nach ist die Geschichte Großensee noch lange nicht zuende erzählt.
Schauen wir mal, was wir als nächstes hervorholen …

Finale und Ausblick

Projektabschluss
Im Mai 2021 ist das Monitoring der Fischerkähne im Großensee offiziell abgeschlossen. Bis hierhin hat ein Team von insgesamt 16 Tauchern an diesem Projekt mitgewirkt. Bei mehr als 50 Mann-Tauchgängen haben wir über den Zeitraum von gut 1,5 Jahren insgesamt vier Wracks identifiziert. Zwei besonders prominente Boote wurden eingehend dokumentiert. Damit konnten wir den SDA-Forschungsbericht von 2012 um wichtige Erkenntnisse ergänzen. Erhard hat die Dokumentation in einem stimmungsvollen Film festgehalten:

Fazit
In einer Dorfchronik stoße ich auf eine Inventarliste der Fischereibetriebe. Hier sind zwei Kähne für den Großensee über lange Zeiträume verzeichnet. Daher gehen wir nach gegenwärtigem Kenntnisstand davon aus, dass die beiden untersuchten Wracks aus der einstigen Fischerei stammen und entweder nach Aufgabe gesunken sind oder bewusst versenkt wurden. Diese und viele andere Ergebnisse sind in einem Forschungsbericht festgehalten. Dieser liegt in der Mediathek zum Download bereit.

Das wars?
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es noch weitere Wracks gibt. Die Chronik verzeichnet neben den beiden Kähnen eine Jolle und einen Prahm. Es könnte also durchaus ein Zusammenhang zu den beiden Wracks am Ostufer bestehen. Außerdem gehörte seit jeher ein weiterer Kahn im Lütjensee zum Bestand. Wie es aussieht, ist die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt …

Tauchen für den „Vermieter“
Eine witzige Anekdote zum Schluss: Die Dorfchronik hat den Großgrundbesitzer Theodor Raydt als letzten Inhaber „unserer“ Wracks identifiziert. Dieser hat Anfang des 20. Jahrhunderts nicht nur zahlreiche Ländereien rund um den Großensee gekauft. Er hat auch das Gehöft Berodt zu einer großen Hofanlage ausbauen lassen. In das Haupthaus bin ich 2019 eingezogen – und hier hat die Forschungskampagne Großensee ihren Anfang genommen …

Header-Foto: ©Steffen Schmitt

Die Schlosser kommen

Herbstbuchttauchen 2019
Die Fördeschlosser sind eine Gemeinschaft freier Wracktaucher. Diese sehr erfahrenen Taucher haben schon einige bemerkenswerte Aktionen auf die Beine gestellt. Aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten musste das traditionelle Herbstbuchttauchen 2019 ausfallen. Also habe ich die Gang kurzerhand zur Wrack-Doku an den Großensee eingeladen. Wie schrieb ein Mitglied im Forum so schön: „Es war Herbst, der Einstieg war buchtartig, wir sind getaucht und es gab sogar ein Wrack“. Also alles richtig gemacht.

Dokumentation im Team
Alle wollen das Wrack sehen. Bekommen sie auch. Für eine systematische Dokumentation ist dieser Event allerdings nicht geeignet. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Nebenuntersuchungen und teilen uns auf. Jedes Team bekommt eine Aufgabe: Robert und Thorben suchen das Areal mit dem Scooter nach Wrack 2 ab. Blacky, Zille und Andrea nehmen die Tiefenlinie und inspizieren das nähere Umfeld. Und Ingo und ich untersuchen die Hölzer auf dem Weg. Entgegen meiner ersten Vermutung scheint es sich jedoch eher um Reste eines alten Stegs zu handeln. Also nehmen wir das Wrack weiter unter die Lupe. Es scheint, als seien die Spanten aus zwei Teilen zusammengesetzt und in der Mitte mit flüssigem Eisen verbacken. Wir zählen insgesamt sieben. Am Heck entdecke ich ein spitz zulaufendes Holzstück, dass wie eine Abdeckung aussieht. Es hat eine mittige Bohrung. Vielleicht war hier einmal das Ruder angesetzt? Dieses Wrack wirft viele Fragen auf. Wir werden versuchen, sie zu beantworten.

Das Wrack in 3D
Beim nächsten Tauchgang ist Ruhe geboten. Robert macht rund 500 Aufnahmen aus allen Perspektiven. Zuhause errechnet er ein 3D-Modell. Fotogrammetrie ist inzwischen ein Standard in der archäologischen Dokumentation. Dass wir diese Technologie auch hier einsetzen können spricht für die große Kompetenz des Teams. Das 3D-Modell kann entweder als Video betrachtet oder eigenständig gesteuert werden.

Fotorealistische Zeichnung
Oleksiy zeichnet Wracks. Und zwar so gut, dass sich mittlerweile die Tauchmagazine um ihn reißen. Toll, solche Koryphäen im Team zu haben. Beim gemeinsamen Tauchgang prägt er sich die Details ein und verwandelt sie einmal mehr in eine wundervolle Bleistift-Zeichnung. Er möchte das Objekt so festhalten, wie es der Taucher unter Wasser wahrnimmt. Das ist ihm wieder einmal gelungen.

Dies war vermutlich das erste Fördeschlosser Herbstbuchttauchen bei dem kein einziges Boot im Einsatz war. Trotzdem hatten alle einen tollen Tag, den wir bei einem gemeinsamen Essen im Dorfkrug haben ausklingen lassen.

Projekttagebuch Großensee

Heimatkunde Wrackforschung
Es ist einiges los im Großensee. Seit September 2019 beschäftige ich mich mit dem Monitoring eines historischen Fischerkahns. In zahlreichen Tauchgängen haben wir das Wrack vermessen, Fotos und Filme angefertigt, Zeichnungen und ein 3D-Modell erstellt. Die mäßigen Sichtbedingungen im See auf der einen, immer wieder neue Corona bedingte Einschränkungen auf der anderen Seite haben den Projektzeitraum immer wieder verlängert. Allerdings: uns hetzt auch niemand. Ideale Forschungsbedingungen also.

Zweiter Wrackfund
Irgendwann bekommt auch die Presse Wind von unseren Aktivitäten. Prompt berichten gleich mehrere Zeitungen über die Wrackuntersuchung im Großensee. Doch dabei soll es nicht bleiben. Wir suchen nämlich noch ein zweites Wrack, dessen Position verschollen ist. Über das ganze Jahr 2020 krempeln wir den See um. Am 30. Januar 2021 ist es schließlich soweit: Wir folgen einem weiteren Hinweis – und finden Wrack 2. Damit startet der zweite Forschungseinsatz.

Die Geschichte
Was haben wir als Team ehrenamtlicher Unterwasserarchäologen bis dahin alles unternommen? Welche Entdeckungen haben wir außerdem gemacht? Und wie geht es mit dem Projekt weiter? Hier soll die ganze Geschichte des Forschungsprojekts Großensee chronologisch erzählt werden …